Musik ist sein Lebenselixier
Göttingen (kpg) – Wie lange er die Orgel in der Göttinger St. Michaelskirche schon spielt, weiß Hans Breitenbach schon gar nicht mehr: „Wahrscheinlich seit Jahrhunderten“, sagt er augenzwinkernd. Und ans Aufhören denkt der 85-Jährige noch lange nicht: „Ich werde spielen, so lange ich noch kann.“
Und er kann noch: Jedes Wochenende kommt er von Nörten-Hardenberg nach Göttingen, um die Gottesdienste in Maria Frieden und St. Michael – besonders die Kindergottesdienste liegen ihm am Herzen – zu begleiten. Auch für die Mittagsmeditation in Wort und Musik, die in der Innenstadtkirche eine jahrelange Tradition am Samstag haben, ist er verantwortlich. Breitenbach spielt jedes Stück auswendig, Noten braucht er schon lange nicht mehr: „Das trainiert den Geist und ganz nebenbei die Fingerfertigkeit. Ich kann jedem nur empfehlen, ein Instrument zu lernen.“
Durchhaltevermögen zeichnet Breitenbach auch sonst aus. Weil er seinen Beruf als Grundschullehrer an der Göttinger Bonifatiusschule so liebt, arbeitet er noch einige Jahre über das 65. Lebensjahr hinaus. „Die Behörden haben bei mir ein Auge zugedrückt“, sagt er. „Wohl auch, weil ich erst so spät Lehrer geworden bin.“ Nach seinem Abitur in Göttingen und Jahren im Krieg führt er als junger Mann zunächst das Geschäft seines Vaters weiter. „Das war bei uns einfach so“, erinnert er sich: „Der älteste Sohn wird Pastor, der zweite übernimmt das Geschäft.“ Sein Bruder ist dabei geblieben, er lebt heute 88-jährig als Ruhestandsgeistlicher in Braunlage. Breitenbach aber konnte mit dem für ihn vorbestimmten Weg nicht leben. Als die großen Warenhäuser den Einzelhandel zunehmend verdrängen, ergreift er seine Chance. Breitenbach gibt seine Läden in Göttingen, Northeim, Nörten und Einbeck auf, in denen er unter anderem Kinderwagen, Wasch- und Nähmaschinen verkauft hat, und studiert Pädagogik in Alfeld. Hier macht er auch seine Prüfung zum Organisten.
Spätestens seitdem ist er „mit der Kirche verheiratet“. Neben seiner Tätigkeit als Organist gibt Breitenbach jahrelang den Heiligen Martin beim traditionellen Laternenumzug in der Göttinger Innenstadt. Die vielen Zeitungsausschnitte, die ihn hoch zu Ross zeigen, hat er aufbewahrt. Der letzte, so sagt er, ist von 2002; da ist er 79. Jung halten den Witwer auch seine acht Klavierschüler, zu denen er jede Woche ins Haus kommt – wie überhaupt die Musik: „Ohne sie wäre ich keine 85 geworden.“