Bravorufe und Aufbruchstimmung
Dritter Dialogabend, dritte vollbesetzte Kirche: Bischof Dr. Heiner Wilmer SCJ sucht den Kontakt zu den Menschen in seinem Bistum. Nach Stationen in Hannover und Braunschweig stand er in Göttingen Rede und Antwort.
Die Bänke waren schnell besetzt, zusätzliche Stühle werden noch herangeschleppt, einige finden nur noch einen Stehplatz. „Ich möchte im ersten Jahr als Bischof durch das Bistum gehen und zuhören“, erklärt Bischof Heiner seine Motivation zu Beginn. Das Interesse scheint gegenseitig, rund 350 Menschen sind zum Dialogabend in die Kirche St. Heinrich und Kunigunde gekommen.
Am Ende des Abends sprechen einige von Aufbruchstimmung. „Ich finde Sie unheimlich cool“, hatte schon ein Redner ins Mikrofon gesagt. An den Publikumsmikrofonen auf beiden Seiten des Altarraums bildeten sich schnell lange Schlangen. Die Moderatoren müssen um Kürze bitten, nach ein paar Beiträgen antwortet der Bischof.
Zur Einleitung hatte Bischof Heiner „vier Grundlinien“ seiner Arbeit skizziert, die noch als Hirtenbrief herausgegeben werden sollen. Die Bibel soll spürbarer die Basis allen Handelns sein, bei Entscheidungen sollen stärker alle getauften Frauen und Männer beteiligt werden, Pläne sollen eine höhere Verbindlichkeit bekommen und „Orte der Glaubenserfahrung“ erkannt werden.
Mit Blick auf die Fälle von sexualisierter Gewalt und Machtmissbrauch in der Kirche wiederholte der Bischof seine Sätze aus den vorhergehenden Dialogabenden: „Wir müssen den Binnen-Zirkel der Kirche, das Männerbündische aufbrechen, um gemeinsam das Evangelium zu bezeugen in Glaubwürdigkeit und Wahrhaftigkeit.“
„Ich will, dass ihr eins seid.“
Manche berichten von ihrem Engagement in der Kirche, manche fordern mehr Unterstützung, andere machen Vorschläge, wie sich die Kirche weiterentwickeln könnte: Laienpredigten, Diakonat der Frau, Bioanbau auf kircheneigenen Feldern, Jugendpastoral besser fördern, mehr Ökumene.
„Getaufte Männer und Frauen könnten deutlich mehr Positionen in der Kirche einnehmen“, antwortet Bischof Heiner. Er habe mit der Berufung der Theologin Dr. Dagmar Stoltmann-Lukas zur persönlichen Referentin erstmals in der 1200-jährigen Geschichte des Bistums eine Frau zur engsten Bischofsberaterin gemacht. „Das ist ein kleiner Schritt, ein wichtiger Schritt. Ich bin entschlossen, die Linie weiterzugehen“, sagt Bischof Heiner. Applaus und Bravorufe schallen durch die Kirche.
Bischof Heiner zeigte sich überzeugt, „wichtige Impulse für Reform und Erneuerung“ in der Bibel zu finden. Hinsichtlich der Ökumene erinnerte an das Jesuswort: „Ich will, dass ihr eins seid.“ Dabei gebe es einen „großen Weg“ zu gehen, er sei aber „fest entschlossen“.
Geschichtete Menschheitserfahrung
Das Thema Bildung sollte beim Dialogabend in Göttingen besonders hervorgehoben werden. Das Bistum unterhält insgesamt elf Schulen, davon mit der Bonifatiusschule II eine Oberschule in der Unistadt. „7 Millionen Euro geben wir jährlich für den Betrieb der Schulen im Bistum aus“, referierte Dr. Jörg-Dieter Wächter, Leiter der Hauptabteilung Bildung. Bistumsweit werden 6500 Schüler von 630 Lehrern unterrichtet. Gleich die erste Frage aus dem Publikum lautete dann auch „Wo ist die Wachstumsstrategie? Wann haben wir 40 Schulen?“ Bildung gehöre sicher zu den „Schwerpunkten, die wir setzen werden“, antwortet der Bischof. Er sei „ein großer Kämpfer“ dafür, dass Menschen von der Kita bis zur Uni von der Kirche begleitet würden.
Eine Studentin will noch wissen, wie sie für andere den vermeintlichen Gegensatz zwischen Wissenschaft und Religion auflösen kann. Das sei „ein wuchtiges Thema“, wie „die Bibel ernstgenommen“ werde, antwortet Bischof Heiner. Sie enthalte „geschichtete Menschheitserfahrung“ und bei „großen Entscheidungen“ gehe es mehr um „Intuition und Herz“, weniger um „Vernunft und Verstand“.
Johannes Broermann