Edith Stein und Göttingen
Nur drei Jahre verbrachte Edith in Göttingen, in der Stadt ist die Heilige und Patronin Europas aber bis heute präsent. Und: Hier kam die als Jüdin geborene junge Frau, die 1942 im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau ermordet wurde, erstmals mit dem
Göttingen (kpg) – „‘Das liebe alte Göttingen!‘ – Wer seine Erinnerungen an eine Stadt mit diesen Worten beginnt, muss sie mit geschätzten Menschen und glücklichen Ereignissen verbinden.“ So schreibt Heiner J. Willen, der Vorsitzende des Edith-Stein-Kreises in Göttingen, in seinem Vorwort der Broschüre „Edith Stein und ihre Göttinger Zeit“. In der Tat: Von 1913 bis 1915 studierte Edith Stein als eine der ersten Frauen Philosophie in der Universitätsstadt. Einige Jahre vor ihrem Tod im Konzentrationslager Auschwitz verfasste sie ihre Lebenserinnerungen, in denen die Göttinger Zeit einen Mittelpunkt – und das längste Kapitel – bildet.
Die junge Studentin Edith Stein, 1891 in einer jüdischen Familie in Breslau geboren, kann es kaum erwarten, nach Göttingen zu gehen – in eine Stadt, in der man „nur philosophiert, Tag und Nacht, beim Essen, auf der Straße, überall“, so hatte ein Freund es ihr beschrieben. Sie will unbedingt bei Professor Edmund Husserl, dem Begründer der Phänomenologie, studieren. Ihre Erwartungen erfüllen sich: Sie befreundet sich mit Adolf Reinach, Husserls Assistenten, und dessen Frau Anne und schließt sich der „Philosophischen Gesellschaft“ an. Noch Jahre später steht sie durch Briefe und gegenseitige Besuche mit deren Mitgliedern in Kontakt. Ihre Universitätskarriere jedoch scheitert ausgerechnet in Göttingen: Nachdem sie ihrem Professor nach Freiburg gefolgt ist und 1916 promoviert hat, strebt sie eine Habilitation an. Die Philosophische Fakultät in Göttingen lehnt es jedoch ab, ihre Arbeit auch nur anzusehen. Auch ein Einwand des preußischen Kultusministeriums, das Frauen grundsätzlich zur Habilitation zuzulassen seien, hilft ihr nicht.
1921 fährt sie auf dem Weg nach Göttingen
„der größten Entscheidung meines Lebens entgegen“
Unterdessen kommt Edith Stein in Göttingen erstmals mit dem Katholizismus, in dem sie als spätere Ordensschwester Teresa Benedicta a Cruce ihre Glaubensheimat findet, in Kontakt. Ihren „Kinderglauben“ hatte sie zuvor bereits gegen einen „radikalen Unglauben“ getauscht, erinnert sie sich. An der Göttinger Universität hört sie Vorträge von Max Scheler, eines Philosophen aus München, der „ganz erfüllt war von katholischen Ideen und mit allem Glanz seines Geistes und seiner Sprachgewalt für sie zu werben verstand. Das war meine erste Berührung mit dieser bis dato völlig unbekannten Welt“. Eine weitere und entscheidende Berührung erfährt sie 1921, bei einem letzten Besuch in Göttingen. Für die Zugreise zurück wählt sie aus der Bibliothek der Reinachs – ihr Freund Adolf war bereits 1917 im Ersten Weltkrieg gefallen – die Autobiographie der Heiligen Teresa von Avila, einer spanischen Karmelitin und Mystikerin, als Lektüre. Danach steht für sie fest: Sie will Katholikin werden. Rückblickend schreibt sie: „Es war ein langer Weg, den ich zurückgelegt hatte von jenem Apriltage, an dem ich zum erstenmal nach Göttingen kam, bis zum März 1921, als ich wieder einmal dorthin fuhr – der größten Entscheidung meines Lebens entgegen.“
1922 lässt sich Edith Stein taufen, 1933 – zuvor hatte sie einige Jahre als Lehrerin gearbeitet – tritt sie 1933 in Köln ins Kloster ein. Trotz ihrer Konversion wird sie von den Nationalsozialisten als Jüdin verfolgt. 1942 wird sie im Konzentrationslager Auschwitz ermordet. Edith Stein wird 1987 selig, 1998 als erste katholische Märtyrerin jüdischer Abstammung heilig gesprochen. 1999 erklärt der damalige Papst Johannes Paul II. sie zu einer Patronin Europas.
Spuren Edith Steins in Göttingen:
Eine Dauerausstellung der Künstlerin Andrea Froneck-Kramer zu Leben und Werk Edith Steins ist seit 2007 im Treppenhaus des Wohnheims der katholischen Hochschulgemeinde, Stauffenbergring 4-8, zu sehen. Besichtigungen können vereinbart werden unter Telefon 0551 / 23467.
Edith Steins Gedenktafel ist am Haus ihrer ersten Göttinger Wohnung in der Langen-Geismar-Straße 2 angebracht. In der Schillerstraße 32 wohnte sie während ihres zweiten und dritten Semesters. Eine Collage (Acryl auf Leinwand) von Theresia Schüllner befindet sich in einer Seitennische von St. Michael (Kurze Straße 13). Im Bild sind Handschriften von Edith Stein eingearbeitet. Eine große Fotografie von ihr ist auch in der Pauluskirche (Wilhelm-Weber-Straße) zu sehen.
Der Edith-Stein-Kreis bietet regelmäßig Stadtführungen zu Edith Stein und ihrer Zeit in Göttingen an. Nähere Informationen im Internet: www.edith-stein-kreis.de oder per E-Mail an edith-stein-kreis@gmx.de
Der Edith-Stein-Kreis hat zudem die Publikation „Edith Stein und ihre Göttinger Zeit“ veröffentlicht. Das Heft kostet 5 Euro und ist bei der Buchhandlung Hertel (Kurze Straße 14) erhältlich.