Erinnerung an einen Lebenshauch
Göttinger Seelsorger erinnern mit „Candlelighting“ an verstorbene Kinder
Göttingen (kpg) – „Ein Hauch von Leben – unvergessen“ steht auf der Stehle des Grabfeldes der evangelischen Kirchengemeinde St. Petri in Göttingen-Weende. Ein Hauch von Leben. Ein Leben, das nie die Chance hatte, sich zu entfalten. Auf dem Gräberfeld sind die bestattet, die es von Rechts wegen gar nicht müssten: Kinder, die bei ihrer Ankunft auf die Welt weniger gewogen haben als 500 Gramm: Frühchen, Totgeburten, Schwangerschaftsabbrüche. „Nicht bestattungspflichtige Kinder“ heißt das im Fachjargon.
Drei Mal im Jahr bestatten Pastor Wolfgang Petrak und Annette Stechmann, katholische Seelsorgerin am Universitätsklinikum in Göttingen, diese Kinder. 200 – „erschreckend viele“ – sind es jedes Mal, so Stechmann. In kleinen Särgen werden sie beerdigt, oft haben die Eltern Decken oder Kuscheltiere mit hineingelegt. „Diese Eltern dann bei der Bestattung zu sehen, das geht mir schon sehr ans Herz. Aber für mich sind auch diese Kinder Geschöpfe Gottes. Sie haben das Menschenrecht auf eine würdige Bestattung. Deshalb mache ich das.“ Mit den Beerdigungen reagierten Petrak und Stechmann auf eine Initiative der Göttinger Krankenhäuser, zumal die Alternative eine anonyme Bestattung oder – auch für Stechmann unvorstellbar – der Klinikmüll ist.
Auch für Pastor Petrak sind diese Beerdigungen besonders: „In den Gesprächen hören wir oft von den Eltern: ‚Wir haben uns dieses Kind so gewünscht‘“, berichtet er. Das sei selbst dann der Fall, wenn sie aus den unterschiedlichsten Gründen einen Abbruch der Schwangerschaft vornehmen lassen mussten. „Ich bewerte diese Entscheidung nicht, sondern akzeptiere sie“, so Petrak. Stechmann dagegen spricht trotz der Trauer der Eltern auch die Frage nach der Schuld, die jemand mit einer solchen Entscheidung auf sich lädt, an: „So mancher Vater, so manche Mutter fühlt sich schuldig, warum sollte das nicht zur Sprache kommen dürfen“, so Stechmann: „Wer darf über das Leben eines Ungeborenen entscheiden? Und wie kann man das überhaupt entscheiden?“
Ökumenischer Gottesdienst für Eltern verstorbener Kinder
Einmal im Jahr erinnern die Göttinger Seelsorger zudem mit einem ökumenischen Gottesdienst in St. Petri an alle verstorbenen Kinder. Er ist Bestandteil der mittlerweile weltweiten Initiative „Candlelighting“, die in den USA begonnen hat: Am zweiten Sonntag im Dezember – in diesem Jahr der 14. – stellen Menschen in aller Welt Kerzen zum Gedenken an ihre verstorbenen Kinder in die Fenster. „Der ganze Kirchenraum ist mit Trauer gefüllt“, so Stechmann. An einer großen Kerze auf dem Altar – „die Kerze der Erinnerung, Hoffnung und Dankbarkeit“ – entzünden die verwaisten Eltern Teelichter, dazu werden die Namen ihrer Kinder, so die Eltern das wünschen, vorgelesen. Zum Candlelighting kommen Gläubige wie Konfessionslose – auch das Gräberfeld ist nicht konfessionsgebunden – Eltern, die ihr Kind vor 20 Jahren verloren haben, Eltern, deren Kinder nie das Licht der Welt erblickt haben genau so wie Eltern, die ihre erwachsenen Kinder verloren haben.
Trauerbegleitung erfahren die Eltern nicht nur von den Seelsorgern, sondern auch in Anlaufstellen wie zum Beispiel der Initiative „Regenbogen“. Hier engagiert sich auch Maren Dostal ehrenamtlich. Vor vier Jahren hat sie selbst eine Tochter verloren. Heute ist sie Mutter eines gesunden Kindes. Die Trauer ist dennoch nicht verblasst. „Für mich ist das ein Stück Trauerarbeit.“
Hinweis: Das „Candlelighting“, der ökumenische Gottesdienst zum Gedenken an verstorbene Kinder, findet statt am Sonntag, 14. Dezember, um 19 Uhr in der evangelischen Kirche St. Petri in Göttingen-Weende. Die nächste Bestattung auf dem Gräberfeld hinter der St. Petrikirche ist am 24. Januar 2009 um 10 Uhr.