Geistlicher Impuls zum Montag in der Fünften Fastenwoche
"Der Mensch kann nicht leben ohne ein dauerndes Vertrauen zu etwas Unzerstörbarem in sich."
Das Evangelium und andere Texte für den heutigen Tag finden Sie in der Online-Kalender-Version des Schott-Messbuches der Erzabtei in Beuron.
IMPULS
Als Kinder spielten wir oft an einem kleinen Fluss. Im Sommer führte er weniger Wasser, so dass es ungefährlich war, Wasser zu stauen, um es dann in einem selbst bestimmten Moment zu fluten.
Ein Erwachsener, der uns zusah, behauptete, dass viele der rundgeschliffenen Steine, Brocken, von denen wir die meisten nicht einmal bewegen konnten, innen einen trockenen Kern hätten, obwohl sie seit Jahrtausenden vom Wasser umspült seien.
Das reizte uns zu dem nicht ungefährlichen Kräftespiel, Steine derart aufeinander donnern zu lassen bis einer zerbarst und sein Inneres preisgab. Kalt lag die scharfe Bruchstelle mit einem Schlag vor uns und glitzerte in der Sonne. Dann fuhren wir mit unseren Fingerkuppen darüber, um dem Wunder des trockenen Kerns nachzuspüren.
Wem immer ich von unserem Spiel erzähle, es führt unweigerlich zu lebhaften Diskussionen über die Unmöglichkeit, im Kern unberührt bleiben zu können von den ständigen Beeinflussungen der Außenwelt. Unbemerkt vollzieht sich dabei im Wortspiel ein Tausch, der den Stein zum Sinnbild für uns, samt unserem Innersten, macht.
Wieweit jemand in seinem Kern unberührbar vom ständigen äußeren Einfluss bleiben kann, das vermag nur jeder von seinen eigenen Lebenserfahrungen aus zu beantworten. Meine Überzeugung dazu deckt sich mit der Erkenntnis Kafkas, „Der Mensch kann nicht leben ohne ein dauerndes Vertrauen zu etwas Unzerstörbarem in sich“.
Einem Christen kann sich dabei leicht der Gedanke aufdrängen, wir Europäer seien doch auch seit nahezu 2000 Jahren von den Segnungen des Christentums umspült, aber es schiene, als berühre das immer weniger Menschen in ihrem Kern.
Liebäugeln auch Sie mit derartigen Gedanken? - Ich nicht mehr! - Weil ich immer häufiger entdecke, wie meine religiös ausgedrückten Überzeugungen im Leben anderer Menschen dieselbe Dringlichkeit besitzen, sich aber eben („nur“) in säkularer Form äußern! Dafür möchte ich sensibler werden.
Dann stoßen wir gemeinsam mit unserem tiefsten Inneren an den Punkt, an dem weder wir selbst, noch andere etwas beeinflussen können. An dem das von uns Machbare aufhört – dafür das Empfangen Überhand nimmt.
Theo Schneider SJ