Gitter verlieren ihre übermächtige Kraft
Neuer Kirchen- und Mehrzweckraum in der JVA Rosdorf
Göttingen (pgu) – Es ist der einzige Raum in der neuen Justizvollzugsanstalt (JVA) Rosdorf bei Göttingen, in dem man die Gitter erst auf den zweiten Blick wahrnimmt: Sie treten hinter dem Rot, Blau und Beige der Fenster zurück, verlieren so ihre übermächtige Kraft. Der Braunschweiger Künstler Claus Kilian hat für den so genannten „Kirchen- und Mehrzweckraum“ der neuen JVA, die von Juli an 320 Gefangene beherbergen wird, Fenster und Stirnwand gestaltet.
Er hätte die Gitter auch völlig hinter der Farbe verschwinden lassen können, so Kilian. „Aber dann wären die Gefangenen ja auch eingesperrt gewesen, nur hinter Farbe.“ Er habe deshalb bei der Farb- und Linienführung Wert darauf gelegt, dass das Auge wandern könne und das starre Motiv der Gitter aufgelöst werde. Wie bedrückend das Gefühl von Eingesperrt-Sein sei habe er selbst in der Kriegsgefangenschaft erlebt, so der Künstler. „Ich will, dass die Menschen in diesem Raum zur Ruhe kommen und auch feiern können.“
Vorbild für den Kirchen- und Mehrzweckraum – wie für die gesamte JVA – war die JVA in Oldenburg. Hierher ist Kilian bereits vor ein paar Jahren gefahren, um Raum und Fenster auf sich wirken zu lassen. Vor diesem Hintergrund entwarf er dann die Fenster für die neue JVA – ohne zu wissen, ob das Projekt jemals realisiert oder finanziert werden würde. Denn die JVA wollte sich an den Kosten von rund 23 000 Euro nicht beteiligen. „Das war schon ein Risiko“, sagt Werner Hohmann, der katholische Seelsorger für die Gefangenen, der federführend für die Gestaltung des Raumes verantwortlich war.
Im Bonifatiuswerk der Katholiken, der bischöflichen Stiftung „Gemeinsam für das Leben“, dem Arbeitskreis christlicher Kirchen und dem Gesamtverband der katholischen Kirchengemeinden im Dekanat Göttingen sowie dem evangelisch-lutherischen Kirchenkreis fand Hohmann jedoch schnell Spender. Auch der Hildesheimer Altbischof Dr. Josef Homeyer habe mit einem „erheblichen Betrag aus seiner Privatschatulle“ zur Finanzierung beigetragen.
Der neue Mehrzweckraum entfaltet – nicht zuletzt durch die Fenster – eine sakrale Wirkung, „ohne religiös oder konfessionell bindend zu sein“, so Hohmann. Das ist gewollt, denn nicht nur Gottesdienste, Bibelarbeiten und seelsorgliche Einzelgespräche mit den Gefangenen werden hier stattfinden, sondern auch Filmvorführungen und Sitzungen. Auch soll er den 180 Mitarbeitern als Erholungs- und Ruheraum dienen.
„Dieser Raum verheißt die Möglichkeit auf einen angenehmen Tag im sonst so harten Gefängnisalltag“, sagt der Leiter der JVA, Helmut Schütze. „Für mich sind die Farben wie Morgenröte.“