Mit Lebenslust und Menschenliebe gegen das Leid
Schwester Karoline Mayer arbeitet seit über 40 Jahren an der Seite der Armen in Chile
Göttingen (kpg) – Herzlichkeit und Lebensfreude strahlt aus ihren Augen. Ihre Gesprächspartner – auch die, die sie nie zuvor gesehen hat – begrüßt sie mit einer kleinen Umarmung und einem warmen Lächeln. „Ich bin halt eine Lateinamerikanerin“, sagt sie verschmitzt. Dabei wurde Schwester Karoline Mayer 1943 im bayerischen Pietenfeld bei Eichstätt geboren. Seit über 40 Jahren aber arbeitet die quirlige Ordensfrau nun in Chile, lebt in Santiago im Armenviertel. In den vergangenen Jahrzehnten hat sie eigenhändig ein Sozialwerk für die notleidende Bevölkerung aufgebaut, bestehend aus Jugendwerkstätten, Kindertagesstätten, einem Reha-Zentrum für ehemalige Drogenabhängige und einem Gesundheitszentrum, in dem jährlich rund 20 000 Menschen kostenlos medizinisch behandelt werden. Für dieses Engagement hat Schwester Karoline unter anderem 1984 das Bundesverdienstkreuz erhalten. Im November wird sie dafür in Göttingen mit dem Edith-Stein-Preis ausgezeichnet.
Erst einen Nachmittag zuvor ist sie von Santiago nach Göttingen angereist, am nächsten Morgen geht es für sie weiter nach Bremen, von dort zurück nach Göttingen und dann wieder nach Chile. Von Müdigkeit ist bei der 66-Jährigen aber nichts zu spüren: „Mein Leben ist so aufregend, da macht mir das bisschen Reisen nichts aus“, sagt sie. Sie selbst hat sich dieses aufregende Leben ausgesucht. Schon mit elf Jahren habe sie gewusst, dass sie Missionarin werden wolle. Ein Wunsch, der bei ihrer Mutter auf Unverständnis stieß: „Meine Mama hielt mich für zu lebenslustig für ein Kloster“, erzählt sie lachend. Sie sollte Recht behalten.
Dennoch tritt Karoline als 21-Jährige als Novizin in den Steyler Missionsorden ein. Sie erhält den Ordensnamen Paulina. 1967 legt sie die zeitlichen Gelübde ab. Sie wird nach Chile gesandt, aber nicht so, wie sie hofft. „Ich sollte Verkündigung an Eliteschulen betreiben. Aber das war nichts für mich.“ Schwester Paulina setzt sich durch, darf sich zur Universitäts-Krankenschwester ausbilden lassen und ins Armenviertel gehen. „Wenn du Kinder siehst, die nichts zu essen haben, dann kannst du auch nicht mehr essen“, beschreibt sie ihre ersten Eindrücke – und ihren Entschluss: „Von da an konnte ich nicht mehr aufhören, dort zu arbeiten.“ Den 12. Oktober 1971 – der Geburtstag Edith Steins – beschreibt sie als „glücklichsten Tag meines Lebens“: An diesem Tag darf sie mit einer Mitschwester ins Armenviertel ziehen. Zunächst, denn ihr Orden hat andere Pläne mit ihr: 1973 ruft er sie wegen der politischen Unruhen nach Deutschland zurück. Paulina gehorcht – „das hatte ich ja gelobt“ – aber sie verlängert nach ihrer Rückkehr nach Deutschland ihre Gelübde nicht. Auf eigene Faust kehrt sie zurück nach Chile, zieht wieder zu den Armen und gründet dort die Schwesterngemeinschaft „Communidad de Jesús“. Dass auch sie während der Diktatur Pinochets 1976 verhaftet und verhört wird, nimmt sie in Kauf.
Was Schwester Karoline antreibt, ist Menschenliebe und Hingabe an Gott – passend zur Inschrift der Medaille, die sie im Rahmen der Preisverleihung im November erhalten wird: „Unsere Menschenliebe ist das Maß unserer Gottesliebe“. „Ich spüre Gottes Geist immer bei mir“, davon ist sie überzeugt – und unterstreicht jedes Wort mit ihren Händen. Auch, dass sie am Elend der Menschen nicht verzweifelt, auch nach 40 Jahren noch Kraft und Optimismus ausstrahlt, liegt an ihrem unerschütterlichen Glauben: „Ich glaube, dass Gott Leid zulässt. Aber er gibt uns Menschen die Berufung, das Leid zu verwandeln.“ Für Schwester Karoline gilt das auch im Kleinen: „Ich würde jedem raten, nicht so viel an sich selbst zu denken“, so lautet ihr Rezept zum Glücklichsein. Und: „Frage dich immer: Wie mache ich das Beste aus einer schwierigen Situation? Denn in all den Jahren habe ich erfahren, dass Schmerz und Leid in Freude verwandelt werden können.“ Und wieder huscht ein warmes Lächeln über ihr Gesicht.