Offener Brief an die jüdische Gemeinde
Um keine Missverständnisse im christlich-jüdischen Dialog aufkommen zu lassen, haben der Göttinger Dechant Bernd Langer und die Ökumenebeauftragte des Dekanates, Ulrike Saul, sich öffentlich von den Äußerungen der Pius-Brüderschaft distanziert. An dieser Stelle können Sie den offenen Brief an die jüdische Gemeinde lesen.
Sehr geehrte Frau Jürgenliemk, sehr geehrter Herr Jüttner,
im Zusammenhang mit der innerkirchlichen Entscheidung Benedikt XVI., die Exkommunikation von vier Bischöfen der ultrakonservativen Piusbruderschaft aufzuheben, ist es zu massiven Missklängen im christlichen-jüdischen Dialog gekommen: Es geht um die abstoßenden und geschichtsverfälschendenÄußerungen des britischen Traditionalisten-Bischofs Williamson zur Shoah. Diese Situation nehmen wir mit großer Betroffenheit zur Kenntnis. Deshalb möchten wir Ihnen an dieser Stelle vermitteln, was unser Bischof Norbert Trelle am 1.2.2009 in der Kirchenzeitung des
Bistums Hildesheim geschrieben hat:
„Unerträglich und nicht zu rechtfertigen“
Hildesheimer Bischof Norbert Trelle zur Leugnung der Judenvernichtung
Liebe Leserin, lieber Leser!
Am 25. Januar konnten wir auf den fünfzigsten Jahrestag der Ankündigung des Zweiten Vatikanischen Konzils durch den seligen Johannes XXIII. zurückblicken. Nach dem Wunsch des Papstes sollte das Konzil das Verhältnis von Kirche und Welt bedenken und geeignete Wege aufzeigen, das Wort Gottes in die Zeit hinein zu sprechen. Ein Meilenstein dieser Entwicklung war ohne Zweifel das Dokument „Nostra aetate“, die Erklärung über das Verhältnis der katholischen Kirche zu den nicht-christlichen Religionen. Darin wird besonders das gemeinsame geistliche Erbe von Christen und Juden und der unwiderrufliche Charakter des Bundes betont, den Gott mit seinem Volk Israel geschlossen hat.
In der Folge taten sich verschiedene Gruppierungen innerhalb der Kirche schwer damit, gerade diese Aussagen über das Judentum und andere Religionen wie auch das klare Bekenntnis des Konzils zur Religionsfreiheit, wie es in der Erklärung „Dignitatis humanae“ formuliert ist, zu akzeptieren. Eine dieser Gruppierungen sammelte sich um die sogenannte Piusbruderschaft unter dem französischen Erzbischof Marcel Lefebvre. Mit der unerlaubten Weihe von vier Bischöfen vollzog er im Jahr 1988 den Bruch mit Rom. Er selbst und die von ihm geweihten Bischöfe wurden exkommuniziert.
Wenn Papst Benedikt nun die Aufhebung dieser Kirchenstrafe verfügt hat, muss man darin ein deutliches Zeichen der Versöhnungsbereitschaft sehen, der von seinem Wunsch nach immer größerer Einheit bestimmt ist. Es bleibt abzuwarten, wie die Bischöfe und Priester derPiusbruderschaft auf dieses Angebot reagieren und ob sie ihre Zustimmung zur Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils zum Ausdruck bringen. Für eine wirkliche Einheit ist dies die unabdingbare Voraussetzung.
Gänzlich unerträglich und in keinster Weise zu rechtfertigen bleibt es, wenn einer dieser Bischöfe öffentlich die Shoah, die Vernichtung der Juden durch die Nationalsozialisten, leugnet und sich die Piusbruderschaft von diesen Äußerungen nicht ausdrücklich distanziert, sondern sie nur als die private Meinung eines Bischofs zu weltlichen Dingen bezeichnet, die sie nicht bewerten könne.
Es grüßt Sie nachdenklich
Ihr Bischof Norbert Trelle
Ergänzend bekennen wir uns zum bisherigen und weiteren Brückenbau zwischen Juden und Christen in Göttingen, zur Solidarität der Katholischen Kirche Göttingens mit unseren jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern, zur Begegnung auf gleicher Augenhöhe.
Zum Schluss erlauben wir uns, die Worte von Erzbischof Zollitsch, dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, aufzugreifen: „Wir brauchen den Dialog; wir schulden den Dialog dem jüdischen Volk, wir schulden ihn unserem Volk und wir schulden ihn der Zukunft.“
Bernd Langer, kommissarischer Dechant
Ulrike Saul, Dekanatsbeauftragte Ökumene