Teilen ist Pflicht
Fernab der Heimat hat Lina Metz aus Göttingen ein Jahr als Freiwillige verbracht. In Chile half sie bei Schwester Karoline in der Krippe von Cristo Vive im Norden der Hauptstadt Santiago.
Mit mehr Toleranz sei sie zurückgekehrt, erzählt Lina Metz. Und ein Stück der Gelassenheit der Chilenen habe sie auch versucht mitzubringen. „Herzensgute und hilfsbereite Menschen“ habe sie in Chile getroffen.
Bevor es losging, wurde Metz gefragt, was sie mit nach Chile nehmen würde. „Meine Antwort war, dass wir unsere Zeit mitbringen“, berichtet sie. In der Kindertagesstätte seien neben tatkräftiger Hilfe auch „neue Denkansätze und natürlich ganz viel Liebe“ gefragt. „Und in Chile haben wir Freiwillige genauso viel zurückbekommen, um es wieder mit nach Deutschland zu nehmen“, sagt die 19-Jährige.
Sie ist eine von 16 Freiwilligen, die mit Cristo Vive für ein Jahr ihren Dienst in Chile und Bolivien leisteten. Dort und in Peru betreiben Schwester Karoline und die von ihr gegründeten Stiftungen mehrere soziale Einrichtungen wie Kindergärten, Berufsbildungs- und Gesundheitszentren. Allein in der chilenischen Hauptstadt Santiago ist sie mit ihrem Werk in drei Armenvierteln tätig.
Auch Linas Mutter war ein Jahr lang in Chile
In einer Krippengruppe ergänzte Metz die Arbeit der vier Gruppenbetreuerinnen. Gewohnt hat sie zusammen mit drei anderen Freiwilligen in einem „kleinen, gemütlich eingerichteten“ Haus.
Für die Abiturientin des Göttinger Hainberg-Gymnasiums war es schon der zweite längere Aufenthalt in Chile. Nachdem sie ab der 6. Klasse Spanisch lernte, verbrachte sie im Sommer vor der 10. Klasse drei Monate zum Schüleraustausch dort.
In Südamerika wandelte Metz gewissermaßen auf den Spuren ihrer Mutter. Die war nämlich auch als Freiwillige ein Jahr in Chile bei Cristo Vive, Anfang der 90er Jahre. Daher kennt Lina Metz Schwester Karoline schon von Kindesbeinen an, hat sie in Deutschland immer wieder getroffen. „Sie ist eine total beeindruckende Persönlichkeit“, findet Metz. „Mit ihrem ständigen Glauben an das Gute hat sie viel erreicht.“ Egal mit welchem Problem zu egal welcher Uhrzeit jemand auf Schwester Karoline treffe, sie habe eine Lösung parat.
Beeindruckend fand Metz auch den Umgang der Krippenkinder untereinander. Grundsätzlich hieß es dort: „Hay que compartir – es muss geteilt werden.“ Wenn etwa ein Kind Kekse mitgebracht habe, dann wurden die mit allen geteilt. „Das gibt es in Deutschland doch nicht“, stellt Metz fest.
Ungewohnt warm bei 30 Grad Celsius im Schatten hat sie Weihnachten gefeiert. Im Dezember herrscht auf der Südhalbkugel Sommer. „Plätzchen bei Hitze backen und ein Ausflug an einen Badesee“ standen auf dem Programm der Freiwilligen. Auch die vielen Straßenhunde oder Gras rauchende Nachbarn – vieles sei anders gewesen als zu Hause in Deutschland.
„Am Leben in einem anderen Land teilnehmen, wirklich dort wohnen“, beschreibt Metz auch ihre Motivation, sich um einen Platz beim Freiwilligendienst von Cristo Vive zu bewerben „Nur so lässt sich die riesige Spannung zwischen Arm und Reich wirklich wahrnehmen“, ist sie überzeugt. In Santiago lagen 30 Minuten Metrofahrt zwischen ihrem Wohnort und dem „europäisch geprägten Reichenviertel“. „Nun weiß ich, wie es ist, neu zu sein, anders zu sein.“
Kleine Kinder besitzen ausgeprägten Charakter
Der Glaube an die Liebe und das Gute hat sie selbst angetrieben und so erlebte sie auch Schwester Karoline nicht zuletzt in den gemeinsamen Gottesdiensten. In Santiago haben sich zwei Basisgemeinden rund um die Schwester und Cristo Vive gegründet.
Während ihrer Arbeit in der Krippe fand Metz überraschend, dass selbst Kleinkinder schon sehr ausgeprägte Charaktereigenschaften zeigen können. Über die schnelle Entwicklung der Krippenkinder staunt und freut sie sich zugleich. „Ein Kind konnte am Anfang gar nicht laufen, sondern robbte nur sitzend über den Boden.“ Die ersten Schritte seien dann groß gefeiert worden.
Besonders aufwendig feiern Chilenen den Nationalfeiertag im September. „Dafür haben wir viel vorbereitet und dekoriert. Wer am Haus keine Fahne hisst, kann eine Geldstrafe bekommen“, erzählt Lina. Auch die Krippe wurde geschmückt und Tänze mit den Kindern eingeübt. „Zu Feiertagen gehören meistens lange Wochenenden, an denen wir oft andere Teile Chiles entdeckt haben“, berichtet sie.
Lina Metz möchte Kinderärztin werden, muss aber noch auf einen Medizinstudienplatz warten. Ihre Verbundenheit mit Chile würde sie gerne weiter vertiefen. „Vielleicht kann ich dort mal ein Praktikum in einem Krankenhaus machen“, hofft die junge Frau. Dann kann sie wieder Zeit mitbringen und mindestens genauso viel Liebe zum Teilen.
Johannes Broermann