Weltreisender unterwegs zu Gott und sich selbst
Im November wird Frater Sebastian Watzek in Göttingen zum Priester geweiht
Göttingen (kpg) – Seine Geschichte erinnert an eine berühmte Gestalt aus dem Alten Testament: an Mose, der nach der Geburt am Ufer des Nils zurückgelassen wurde. Sein genaues Geburtsdatum kennt auch Frater Sebastian Watzek nicht. Im Dezember 1978 wurde er kurz nach seiner Geburt in den Straßen von Santiago de Chile ausgesetzt. Die ersten beiden Jahre verbrachte er in einem Waisenhaus in der chilenischen Hauptstadt. Von dort war es ein langer Weg nach Göttingen. Hier wird der 30-jährige Jesuit im November in St. Paulus zum Priester geweiht – der erste seit über 30 Jahren in der Universitätsstadt.
Seine leiblichen Eltern hat Frater Sebastian nie kennen gelernt: „Es ist auch wohl besser so“, sagt er. „Ich bin mitten in die Diktatur hineingeboren worden.“ Und hält kurz inne: „Auch wenn ich so nie sagen kann, vom wem ich was geerbt habe.“ Nach zwei Jahren im chilenischen Waisenhaus wird Watzek adoptiert, seine Kindheit und Jugend verbringt er in Coburg in Oberfranken. Seine Eltern haben bereits einen sechs Jahre älteren Sohn, der heute als Arzt tätig ist. Wie sie ausgerechnet auf den kleinen Jungen aus Chile gekommen sind? – „Die Verbindung kam durch Nachbarn zustande, die dort ebenfalls ein Kind adoptiert hatten“, erzählt er.
Frater Sebastian hat mit seinen 30 Jahren an mehr Orten gelebt als so mancher in einem langen Leben: In Santiago und Coburg, in Bamberg, Nürnberg, München, im chilenischen Concepción und wieder in Santiago de Chile, in Berlin und Rom, jetzt seit ein paar Wochen in Göttingen. Länger als zwei Jahre war er in den vergangenen Jahren nirgendwo: „Es ist ein Leben aus Koffern, aber ich liebe es“, sagt er mit leuchtenden Augen.
Ein Leben, das er vor allem dem Jesuitenorden zu verdanken hat. Der Orden ist seine „erste große Liebe“, wie er sagt. Sebastian Watzek entscheidet sich sehr früh für ein Leben für Gott. „Genau erklären kann man so eine Berufung glaube ich nie“, sagt er. „Aber ich bin sehr radikal in meinen Entscheidungen. Und ich hatte gefunden, was mir Spaß macht, also warum sollte ich noch warten?“ Einen klitzekleinen Umweg macht er dann aber doch: Nach seinem Abitur 1998 wird er zunächst Priesteramtskandidat des Erzbistums Bamberg, bevor er im September 2000 das Noviziat der Gesellschaft Jesu eintritt. „Mich fasziniert die Spiritualität des Ordens und die Vielfalt“, sagt er. Watzek macht die klassische Ordensausbildung: zwei Jahre Noviziat in Nürnberg, zwei Jahre Philosophiestudium in München, ein Jahr als Mitarbeiter in der Schulseelsorge am Canisiuskolleg in Berlin, zuletzt zwei Jahre Theologiestudium an der päpstlichen Universität Gregoriana, wo er im April dieses Jahres zum Diakon geweiht wird. Einziger Wermutstropfen: „Für die Familie ist es manchmal schwer, dass ich so weit weg bin. Aber sie trägt es mit.“
Die wichtigste Station seiner Ausbildung jedoch ist für den Jesuiten sein zweijähriger Aufenthalt in Chile. Hier arbeitet Frater Sebastian, der mittlerweile die doppelte Staatsbürgerschaft besitzt, im Sozialwerk „Hogar de Cristo“ mit Obdachlosen und geistig behinderten Frauen, die Opfer von familiärer Gewalt geworden sind. Seit seiner Adoption ist er nie mehr in seinem Geburtsland gewesen. Er lernt intensiv die Sprache, taucht ein in die Kultur und Lebenswelt der Menschen, findet seine Wurzeln. „Das ist etwas, das so tief drin sitzt, das lässt sich nicht erklären. Jetzt bin ich noch mehr ich.“ Watzek selbst sieht sich als Brückenbauer zwischen Lateinamerika und Europa: „Das kann auch nicht jeder sein. Und es ist auch ein Auftrag.“
In den nächsten zwei Jahren aber liegt sein Auftrag in Göttingen. In der Pfarrgemeinde St. Michael ist der passionierte Koch, Opern- und Fußballfan derzeit als Diakon tätig, nach seiner Weihe im November wird er Kaplan. Zu einer seiner ersten Aufgaben in dieser Funktion gehört ab Herbst die Leitung eines Glaubenskurses für Menschen, die erstmals oder wieder Kontakt zur katholischen Kirche suchen. Wohin es ihn dann zieht, weiß Frater Sebastian Watzek heute noch nicht. „Wichtig ist nur eins: dass ich den Willen Gottes für mich erkenne.“
Frater Sebastian Watzek wird am Samstag, 7. November, um 16 Uhr vom Hildesheimer Bischof Norbert Trelle in der Kirche St. Paulus in Göttingen zum Priester geweiht.